Der nachfolgende Text ist ein erweitertes Transkript.
Für diese Serie setze ich mich an einen ruhigen Ort und höre mir selbst empathisch zu bei Überlegungen zu einem bestimmten Gefühl oder Bedürfnis und was mich dazu gerade bewegt.
Mein Bedürfnis nach Verbindung ist aktuell meist nur flüchtig erfüllt. Oft ist da lediglich jene schnelle Verbindung an der Oberfläche, wenn überhaupt. In meiner Brust ein Zustand als sei dort etwas verrückt, und um auf Empfang zu sein, müsse erst einmal alles wieder an den richtigen Ort rutschen.
Stattdessen bin ich einfach nur da und agiere. Ich öffne Computerprogramme, schreibe Nachrichten, gehe einkaufen oder aufs Klo, esse mein Frühstück, sage an der Supermarktkasse automatisch ‚Herzlichen Dank‘ und bitte in der Tram darum, durchgelassen zu werden.
Ich finde es interessant, dass ich oft mit mir in Verbindung komme, sobald ich mich im direkten Austausch mit anderen verbunden fühle.
Das muss aber gar nicht sein, ich kann auch ohne diesen Aspekt mit mir verbunden sein und dies ganz bewusst auskosten. Und ich muss nicht den Kontakt suchen und mich so vergewissern und mir Sicherheit verschaffen, nicht womöglich doch ‚alleine‘ zu sein. Oder es reicht aus, an bestimmte Personen zu denken und das feste Vertrauen zu haben, dass die Verbindung da ist, ganz egal, wie oft und schnell wir voneinander hören oder uns sehen. Eine Fähigkeit, die ich viele Jahre nicht hatte – wie wunderbar es sich nun anfühlt!
Es kommt auch vor, dass ich an Personen denke, zu denen ich keinen Kontakt mehr habe, die mir aber einmal sehr nahe standen. Auch da ist noch eine Form der Verbindung, obwohl sie einseitig sein mag, und wenn ich mitbekomme, dass einem dieser Menschen etwas Schönes widerfahren ist, empfinde ich ganz viel Freude – sowie ein kleines Bedauern, dass ich dem Menschen nicht sagen kann, dass ich mich gerade für ihn freue, dabei kommt es darauf ja gar nicht an. Manchmal passiert es auch, dass ich trauere, weil ich mitbekomme, dass es einer dieser Personen nicht gut geht.
Ab und zu wünsche ich mir, dass wir leichter wieder in Verbindung kommen könnten nach Brüchen, die auf Unreife, Trauma und wenig Konfliktkompetenz zurückzuführen sind, dass wir es einander leichter machen würden. Ganz selten geht der Wunsch in Erfüllung, und das ist meist sehr überraschend und schön. Ich gebe gerne Fehler zu und bin so wenig nachtragend, wenn man mich lässt, wenngleich ich verstehe, dass andere das nicht sind.
Gerade spüre ich große Dankbarkeit für die Schönheit tiefer verbindender Momente. In denen bin ich ganz anders als im Alltag, muss gar nicht so viel reden wie sonst, sondern kann einfach da sein, mich öffnen und zuhören, muss nichts herstellen durch das Teilen meiner eigenen Dinge, durch das Gesehenwerdenwollen, sondern es entsteht im Gegenteil etwas dadurch, dass ich die andere Person sehe.
Heute Abend ist auch die Verbindung zu mir selbst sehr intensiv und vielschichtig, ich spreche ruhig und ganz langsam, mache viele Pausen. Ich staune über das Tempo, mit dem mir das gelungen ist, scrollte ich doch vorhin noch durch mein Telefon und es liegt ein mühsamer Tag hinter mir. Einer von vielen, die bereits eine lange Kette aus Beschwerlichkeiten bilden, mit der ich mich in den letzte Monaten nur zu leichtfertig geschmückt habe, weil alles andere außer Reichweite war.
Mich im hektischen Alltag auf Verbindung einzulassen fällt mir manchmal schwer. Als müsse ich über eine tiefe, felsige Schlucht springen. Dabei brauche ich nicht einmal Anlauf zu nehmen, muss lediglich die Augen schließen, zum ersten Schritt ansetzen – und bin schon angekommen, denn die Schlucht war eine mit Kreide auf den Boden gemalte Täuschung, die nur funktioniert, wenn man aus einem bestimmten Winkel auf sie blickt.
Ich bin zuversichtlich, schon in wenigen Wochen, wenn ich wieder mehr Zeit für mich habe, diesen Blickwinkel zu vergessen und eine Standleitung zu mir selbst zu errichten. Ich möchte draußen spazieren gehen, ohne irgendwo ankommen zu müssen, Bäume, Wiese und Menschen atmen, leicht sein und weich. Ich möchte klar denken und wieder auf meine Intuition vertrauen. Darauf freue ich mich.
P.S.: Was ist mit deinem Bedürfnis nach Verbindung?